Gesamtverband
Verkehrsgewerbe
Niedersachsen

Volles Brauhaus beim 10. Parlamentarischen Currywurstabend des GVN

Der Gesamtverband Verkehrsgewerbe Niedersachsen (GVN) e. V. bilanzierte in diesem Jahr eine erfolgreiche Jubiläumsauflage seines parlamentarischen Currywurstabends: Am Donnerstag, 16.05.2024 trafen sich weit über 300 Gäste im Brauhaus Ernst August. Neben dem Wirtschafts- und Verkehrsminister Olaf Lies (SPD) waren rund 90 Abgeordnete des niedersächsischen Landtages sowie Vertreter der Kammern, des Wirtschaftsrates, der Gewerkschaften, des Bundesamtes für Logistik und Mobilität, des Bundes- und Landesarbeitsgerichts u.v.m. anwesend.

GVN-Präsident Mathias Krage ging gleich zu Beginn auf zentrale Themen wie Mautverdoppelung, Energiekosten, Klimaschutz, lähmende Bürokratie und die dramatische Lage am Personalmarkt ein. „Dem Verkehrsgewerbe werden gewaltige Kosten aufgebürdet, die uns die Luft zum Atmen nehmen. Natürlich ist Klimaschutz wichtig, so Krage, aber Klimaschutz darf keine ökonomische Abrissbirne sein.“ Weitere Top-Themen: Lieferkettengesetz, Bürgergeld, Mindestlohn und Cannabis.

Der Hauptgeschäftsführer des GVN, Benjamin Sokolovic, zeigte sich besorgt, als es um die angespannte Lage im Taxi- und Mietwagengewerbe ging. „Gestiegene Personal-, hohe Fahrzeug- und Energiekosten, verbunden mit einem Rückgang von Taxifahrten führen dazu, dass Unternehmen um ihre Existenz kämpfen.“ Zum Niedersachsentarif erklärte Sokolovic. „Herr Minister, lassen Sie uns das antiquierte System von 53 Taxi-Tarifanträgen, die bei 53 Gemeinden, Kommunen und Landkreisen gestellt werden müssen, endlich ad acta legen. Lassen Sie uns Behörden entlasten, Bürokratie abbauen und einen einzigen Niedersachsentarif für Stadt und Land schaffen. Die Entlastung könne sinnvoll genutzt werden, um Plattformanbieter wie UBER oder Bolt zu überwachen, die nachweislich den Wettbewerb verzerren, durch Scheinselbständigkeit, Sozialdumping oder die Nicht-Einhaltung der Rückkehrpflicht.“

Mit Blick auf den Bereich Güterkraftverkehr, Spedition und Logistik sowie Möbelspedition warnte Sokolovic vor den Folgen eines zunehmend maroden Infrastrukturnetzes: „Laut Verkehrsprognose wird die Güterverkehrsleistung bis 2051 um 54 Prozent wachsen. Es sei alternativlos, Straßen, Brücken und 40.000 fehlende Stellplätze zu bauen, um die Aufenthaltsqualität an den Rastplätzen für die Mitarbeiter deutlich zu verbessern. Bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels sprach sich Sokolovic für eine Reform des Führerscheinrechts und für eine leichtere Fachkräftezuwanderung aus.

Bedrohlich sei vor allem die zunehmende Bürokratisierung: Der Normenkontrollrat habe ermittelt, dass die Belastung um 9,3 Mrd. auf 26,8 Mrd. Euro angestiegen ist. Trotz „One-in, One-out“ sei dies der höchste Sprung seit Beginn der Aufzeichnungen. Das traurige Ergebnis: „Bürokratie geht immer mehr vor Wertschöpfung“, so Sokolovic. Als Negativbeispiele nannte er den Entwurf zur Verkehrsunternehmerdatei, das Postrechtsmodernisierungsgesetz oder den CO2-Grenzausgleich der EU. Aufgaben des Staates würden zunehmend auf Unternehmen abgewälzt. Es sei kein Grund erkennbar, warum Unternehmen Daten liefern sollen, die den Behörden bereits vorliegen. Sokolovics Lösung: Datenaustausch und Vernetzung innerhalb der Behörden, um Zeitaufwand und hohe Mehrkosten zu vermeiden.

Im Umzugsbereich ärgere besonders die Neufassung der Richtlinie für die Sicherung von Arbeitsstellen, die sehr viel komplizierter und zeitaufwendiger für Möbelspediteure geworden sei. Danach werden selbst kurzfristige Halteverbotszonen behandelt wie längerfristige Eingriffe in den Straßenverkehr, etwa bei der Einrichtung von Baustellen. Auch dies ein Hemmschuh übermäßiger Bürokratie, den der GVN ablehnt.

Klimaziele und Umweltschutz:

Sokolovic erinnerte daran, dass 85% der Güterverkehrsleistung auf der Straße erbracht werden. Wer eine klimafreundliche Transformation will, muss also in erster Linie den Lkw klimafreundlich machen. Wenn der Bund aber elektro- und wasserstoffbetriebene Lkw fordert, gehöre zum ehrlich machen dazu, den Bürgern zu sagen: „Es gibt so gut wie keine Zero-Emission-Fahrzeuge, keine Anreize für alternative Kraftstoffe, keine alternative Tank- und Ladeinfrastruktur und keine Stromnetze für das Laden von E-Lkw. Das sei die traurige Wahrheit. Der Bundesverband BGL habe es ausgerechnet: Der gewerbliche Verkehrssektor sei 187.000 Windkrafträder oder 61 Atomkraftwerke weit entfernt von einer klimafreundlichen Transformation. Angesichts dieser Unmöglichkeit der Leistungserbringung sei es der Verkehrssektor leid, ständig den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen. Die Verkehrsunternehmer seien schon so oft den Empfehlungen der Politik gefolgt, etwa beim Bio-Diesel oder LNG-Fahrzeugen und dann im Regen stehen gelassen worden. Was die Unternehmen dringend brauchen, ist Verlässlichkeit und Planbarkeit über eine Legislaturperiode hinaus.“

Die bittere Realität: Die Logistik steckt fest in der Kostenfalle. Die Unternehmen müssen seit dem 01.12.2023 die historisch höchste Mauterhöhung stemmen. Und trotz 30 Mrd. € Maut-Mehreinnahmen ist kein Geld für Förderprogramme da. „Der Klimaschutz auf der Straße ist – wenn man ihn ernst nimmt – eine nationale Herkulesaufgabe, die eines Sondervermögens bedarf und das muss in Berlin endlich Chefsache werden“, appellierte Sokolovic.

Lob gab es von Sokolovic für die gemeinsame Erklärung für einen klimafreundlichen Verkehrssektor. Die niedersächsische Lösung beinhaltet u.a. mehr Investition in Infrastruktur, die Förderung von Alternativkraftstoffen, den Ausschluss der CO2-Doppebelastung, den Ausbau der Energienetze und die Verstetigung der Haushaltsmittel für eine klimaneutrale Transformation. Adressat des gemeinsamen Papiers: die Bundesregierung.

Beim Deutschlandticket sprach Sokolovic Minister Lies direkt an: „Herr Minister, dank der Zusammenarbeit Ihres Hauses mit dem GVN konnte das Deutschlandticket erfolgreich in Niedersachsen eingeführt werden. Trotz aller Euphorie gibt es aber auch Schattenseiten. Unsere Unternehmen betreiben den ÖPNV überwiegend außerhalb der großen Städte. Wir bitten Sie, den ländlichen Raum zu unterstützen. Er muss durch höhere Einnahmezuscheidungen berücksichtigt werden. Erforderlich sei mehr Planungssicherheit, damit das Deutschlandticket auch nach der Wahl 2025 überleben kann. Das Deutschlandticket habe für mehr Fahrten im ÖPNV auf Straße und Schiene gesorgt. Dies gehe jedoch zu Lasten der Reise- und Fernbusse. „Diese verlieren bundesweit Fahrgäste im zweistelligen Millionenbereich. Hier muss dringend zugunsten des umweltfreundlichsten Verkehrsmittels, nämlich des Busses, nachgebessert werden.

Sokolovic erneuerte schließlich seine Forderung nach der Gleichbehandlung von kommunalen und privaten Busbetrieben in Niedersachsen, wenn es um die Busförderung geht. Das Gleiche gelte für die Betriebshofförderung, die vom Landesrechnungshof auf Eis gelegt wurde: „Der Umwelt ist es egal, vom wem der emissionsfreie Linienbus gekauft und eingesetzt wird. Herr Minister, beenden Sie die Benachteiligung der privaten Bus-Unternehmen, die mit eigenem Geld ins Risiko gehen, gegenüber den Unternehmen, die wir alle als Steuerzahler gegen alle Risiken absichern.“

Der abschließende Appell ging parteiübergreifend an alle Abgeordneten des niedersächsischen Landtages: „Lassen Sie uns gemeinsam insbesondere dem Nachwuchs eine Perspektive aufzeigen, für faire Wettbewerbsbedingungen und eine mittelstandsorientierte Politik“, so Sokolovic.

Olaf Lies, Wirtschafts- und Verkehrsminister, hat sich zum Thema Cannabis gegen einen neuen Grenzwert für THC im Straßenverkehr ausgesprochen. Die Bundesregierung will den bisherigen THC-Grenzwert von einem auf 3,5 Nanogramm pro Milliliter Blut anheben und stützt sich dabei auf die Empfehlung einer Expertenkommission. Lies hält diesen Schritt für verfrüht. „Wir brauchen erst einmal wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen, bevor wir den Grenzwert verändern“. „Der Straßenverkehr darf kein Experimentierfeld für Cannabis sein“, bekräftigte auch GVN-Präsident Mathias Krage.

Der Verkehrsminister kritisierte die Bundesregierung auch dafür, dass sie gleichzeitig die CO2-Steuer für Kraftstoffe erhöhte und einen CO2-Zuschlag bei der Lkw-Maut einführte. „Die doppelte CO2-Besteuerung ist echt problematisch“, meinte Lies. Für die Spediteure entstünden dadurch signifikante Mehrkosten, die sie sich von den Auftraggebern wiederholen müssten – was nicht immer gelinge. „Gerade im Güterverkehr ist der Kostendruck so hoch, dass Fairness bei Preisverhandlungen eine Illusion ist“, so Lies. „Wir geben das klare Signal: Die Branche wird bei den Themen Transformation, Energiepreise, Klimaziele und Fachkräftemangel nicht allein gelassen.“

Bezüglich der Finanzierung des Deutschlandtickets haderte der Verkehrsminister ebenfalls mit der Politik, weil es immer noch nicht gelungen sei, eine langfristige Einigung zwischen Bund und Ländern zu finden. „Orientierung und Sicherheit sehen anders aus“, kommentierte er. Den Betrieben in Niedersachsen sicherte Lies für das Jahr 2024 zu: „Die Verkehrsunternehmen werden nicht auf ihren Kosten sitzenbleiben.“ Bei der Beschaffung von klimafreundlichen Fahrzeugen und neuen Betriebsstätten kündigte der SPD-Politiker neue Förderrichtlinien an, bei denen private Verkehrsunternehmen im Vergleich mit kommunalen Betrieben fairer behandelt werden sollen. Lies betonte, dass die Umsetzung der europäischen „Clean Vehicles Directive“ (CVD) für die Verkehrsunternehmen wirtschaftlich darstellbar sein müsse. Laut EU-Vorgabe muss mindestens jedes dritte neue Fahrzeug im ÖPNV emissionsfrei sein. „Wir werden die Transformation der Mobilität nicht ohne eine Förderkulisse gewährleisten können“, stellte er klar.

Überraschend deutliche Worte fand der Verkehrsminister zur Konkurrenz zwischen dem Taxigewerbe und Fahrdienstvermittlern wie Uber oder Moia. „Wir haben eine zunehmende Ungleichheit im Wettbewerb“, sagte Lies. Die streng regulierte Taxibranche sei gegenüber den Fahrdienstvermittlern klar im Nachteil – auch deswegen, weil Uber & Co. ihre Beschäftigten deutlich schlechter bezahlen können. „Es ist nicht meine Vorstellung als Sozialdemokrat, dass Menschen unter Bedingungen bezahlt werden, die ich nicht will. Das ist auch eine Form von Ausbeutung“, so der SPD-Politiker.

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